Montag, 13. Mai 2013

Rostfrei - ein typisches KMU

Das Metall- und Stahlhandelsunternehmen Pestalozzi in Dietikon gehört zu den ältesten Firmen der Schweiz Einst verkaufte Eisenhändler Johann Heinrich Wiser beim Fraumünster in Zürich Hufeisen und Wagenräder. Das war 1763. Das daraus entstandene Metall- und Stahlhandelsunternehmen Pestalozzi in Dietikon beschäftigt heute rund 300 Angestellte.  

Man mag vielleicht die bevorzugte Freizeitbeschäftigung des feingliedrigen Mannes mit der Fliege und der bedächtigen Art erraten – aber den Beruf, den sieht man Dietrich Pestalozzi nicht an. Dabei leitet er, wenn er sich nicht gerade der Kammermusik widmet, seit einem Vierteljahrhundert die Geschicke des Metall- und Stahlhandelsunternehmens Pestalozzi in Dietikon. Der Familienbetrieb gehört mit seinen 250 Jahren zu den ältesten Unternehmen in der Schweiz. 

Die Produkte der Pestalozzi + Co AG werden zu Türen, Fenstern und Geländern verarbeitet oder beim Bau von Dächern, Fassaden und Wasserleitungen eingesetzt. Sie verbergen sich in den Brandschutztüren im Prime Tower oder auf dem Dach der Tramhaltestelle Bellevue in Zürich. Nur wenige Schritte von ebendieser Haltestelle entfernt hatte Johann Heinrich Wiser im Jahr 1763 den Grundstein für das Unternehmen mit heute rund 300 Mitarbeitenden gelegt. Der Eisenhändler verkaufte in einer Seitengasse beim Fraumünster Stab- und Zauneisen, Wagenräder, Hufeisen und Öfen. Mit dem Münsterhof als Marktplatz und der Limmat als Route für den Materialtransport befand er sich an idealer Lage. Der Name Pestalozzi hielt 1850 in der Firma Einzug – und stellte eine entfernte verwandtschaftliche Verbindung zwischen dem Eisenhändler und dem Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi her. 

Im 19. Jahrhundert sorgte die Industrialisierung und damit verbunden der Bau von Dampfmaschinen und Eisenbahnen für florierende Geschäfte. Nach den beiden Weltkriegen wuchs das Unternehmen dank dem Bauboom bis zur Ölkrise 1973 ebenfalls weiter. Inzwischen hatte die Firma ihren Sitz nach Wollishofen verlegt – der denkmalgeschützte Schriftzug von Max Bill am Firmengebäude an der Seestrasse erinnert noch heute an den einstigen Standort. 1981 zog das Unternehmen schliesslich nach Dietikon. 

Als sich im Anschluss an die Ölkrise auch in den achtziger Jahren keine Verbesserung der Geschäftslage abzeichnete, schlug die Firma den Weg einer stärkeren Spezialisierung ein. «Bis dahin hatte sich unser Sortiment von demjenigen anderer Eisen- beziehungsweise Stahlhändler kaum unterschieden», erzählt der 64-jährige Pestalozzi, der die Geschäftsleitung im kommenden Jahr seinem Sohn Matthias übergeben wird. 

Zum Angebot gehörten, neben den Produkten, die der Betrieb noch heute führt, etwa auch Armierungsstahl oder Schrauben. Wie die Konkurrenz begann Pestalozzi + Co zudem damals, andere Firmen aufzukaufen oder sich an diesen zu beteiligen. Man sei aber, vielleicht aus Furcht davor, bewährte Kunden mit Neuerungen vor den Kopf zu stossen, zu vorsichtig bei der Integration der Akquisitionen gewesen, sagt der passionierte Kontrabass-, Klavier- und Akkordeonspieler heute. Dadurch hätten lange Doppelspurigkeiten bestanden. Inzwischen gehört zur Pestalozzi-Gruppe neben dem Hauptbetrieb in Dietikon nur noch eine Tochtergesellschaft. 

Der Umsatz der Firma Pestalozzi geriet in den vergangenen Jahren erneut unter Druck und sank zwischen 2008 und 2012 von 188 auf 160 Millionen Franken. Matthias Pestalozzi, dessen Grossonkel Fred Pestalozzi zu Beginn der sechziger Jahre in Herrliberg die Firma Bio-Strath gründete, sieht den Hauptgrund für die Schwierigkeiten der Branche in der Euro-Krise beziehungsweise dem starken Franken. So hätten Kunden von Pestalozzi aus der Maschinenbau- und Zulieferindustrie zunehmend Mühe, ihre Produkte im europäischen Ausland abzusetzen. Und im Bausektor seien Preisniveau beziehungsweise Marge trotz guter Nachfrage ebenfalls unter Druck geraten. In den von ihm bearbeiteten Geschäftsfeldern hat das Unternehmen laut Pestalozzi aber nach wie vor sehr gute Marktpositionen. 

Die Strategie der Spezialisierung soll künftig noch konsequenter umgesetzt und der Service fortlaufend verbessert werden, wie der 34-jährige Physiker und künftige Alleininhaber der Firma sagt. Zum Dienstleistungspaket gehören bereits heute nach Mass gefertigte Halbfabrikate, etwa fertig zugeschnittene und vorbereitete Teile für Brandschutztüren. Denn wer sich als Experte für Metall und Stahl so lange im Geschäft hält, hat eines ganz bestimmt verinnerlicht: Wer rastet, rostet. 

Quelle: NZZ 13.5.13

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