Noch mehr CO2 durch WKK
Fossile Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen (WKK) sind CO2-Schleudern. Trotzdem
forciert Energieministerin Doris Leuthard deren Ausbau. Gegen den Plan
formiert sich Widerstand.
Gegen 1 Million Tonnen CO2: Diese Menge an Treibhausgasen wird 2050
in der Schweiz pro Jahr zusätzlich in die Luft entweichen, sofern Doris Leuthards (CVP)
Plan aufgeht. Um den Atomausstieg zu schaffen, will die
Energieministerin fossile Wärme-Kraft-Kopplungs-Anlagen (WKK) finanziell
unterstützen. Zum Vergleich: Der Ausstoss in der Schweiz beläuft sich
derzeit auf 38 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr.
WKK sind
dezentrale, fossil oder teilweise fossil befeuerte Anlagen, die künftig
einen «wesentlichen Beitrag» an die Netzstabilität und die
Versorgungssicherheit leisten sollen; dies geht aus dem Bericht des
Bundesrats zur Energiestrategie 2050 hervor. In
der Basler Gemeinde Riehen liefert zum Beispiel ein mit Erdgas
betriebenes Blockheizkraftwerk Strom für 2700 Haushalte und Fernwärme
für 430 Ein- und Mehrfamilienhäuser. Vor allem im Winterhalbjahr liefern
WKK-Anlagen gleichzeitig Wärme und Strom und können laut Bericht die
reduzierte Stromproduktion aus Sonne und Wasserkraft kompensieren.
Damit setzt Leuthard nebst Gaskraftwerken – ihre Fachleute im Bundesamt für Energie (BFE)
rechnen bis 2035 mit vier grossen Anlagen – auf eine weitere Form
fossiler Stromproduktion. Heute liefern WKK-Anlagen 2 Terawattstunden
(TWh) Strom – also etwa 3 Prozent des Gesamtverbrauchs in der Schweiz.
Die BFE-Experten halten einen Zubau von weiteren 2 TWh bis 2025 und 3,4
bis 2050 für realistisch.
Damit
der Bau von WKK-Anlagen in Schwung kommt, will Leuthard ein
Fördersystem schaffen – mit Geld als Anreiz. Als Leitplanke dient die
kostendeckende Einspeisevergütung (KEV), mit welcher der Bund die
Produktion erneuerbarer Energien ankurbelt. Heute liegt der gesetzlich
festgelegte Maximalbetrag in der KEV bei rund 210 Millionen Franken.
Weil der Bundesrat dieses Instrument im Zug der Energiewende weiter
stärken will, steigt der Förderbetrag bis 2040 auf maximal 840 Millionen
Franken. Leuthards Plan sieht nun vor, das WKK-Fördersystem mit
höchstens einem Drittel dieses Betrags zu alimentieren. Damit könnte die
fossile Stromerzeugung mit dreistelligen Millionenbeträgen
subventioniert werden. Von diesem Geld profitieren sollen die Betreiber
der WKK-Anlagen. Deren Strom, so die Idee, müssen die Netzbetreiber zu
einem höheren Preis abnehmen.
Leuthards Vorschlag befindet sich
mit dem Rest ihres Energiepakets in der Vernehmlassung, die bis Ende
Januar dauert. Wie sich zeigt, formiert sich von verschiedenen Seiten
her Widerstand. Der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen
(VSE) wehrt sich gegen diese «einseitige Förderung», wie
Geschäftsleitungsmitglied Stefan Muster sagt. «Der Markt muss
entscheiden, was sich durchsetzt.» Deshalb müssten für alle Arten der
Energieerzeugung die gleichen Rahmenbedingungen gelten.
Kritik
kommt auch von der Umweltallianz, einem Zusammenschluss von Greenpeace,
Pro Natura, VCS und WWF. Sie spricht von einer «massiven
Subventionierung» fossilen Energieverbrauchs. «Mit diesem Vorschlag wird
der Einsatz erneuerbarer Energien konkurrenziert und die angestrebte
CO2-Reduktion in der Schweiz behindert», sagt WWF-Klimaexperte Patrick
Hofstetter. Die Netzstabilität sei durch den grossen Wasserkraftpark
sichergestellt, die Versorgungssicherheit sei primär eine Frage des
geschickten Strommanagements.
Betreiber von WKK-Anlagen müssen
gemäss Leuthards Plan keine CO2-Abgabe entrichten, dafür die
CO2-Emissionen kompensieren. Inwieweit dies geschehen wird, ist
umstritten. Denn als Kompensationsleistung dürfen die Anlagenbetreiber
den Ersatz von alten fossilen Heizkesseln anrechnen. Hofstetter
kritisiert dies, weil ein Teil dieser Kessel heute oder in Zukunft
sowieso durch CO2-freie oder zumindest -ärmere Alternativen ersetzt
werde – eine Problematik, die von anderen, ausländischen
Kompensationsprojekten bekannt ist.
Das
Bundesamt für Energie entgegnet, die Heizkessel-Frage werde «im Detail
im Vollzug» geregelt. Dass die Förderung fossiler Stromerzeugung die
Energiewende gefährdet, bestreitet das BFE: «Unsere Strategie orientiert
sich an den langfristigen energie- und klimapolitischen Zielen des
Bundesrats», sagt Sprecher Matthieu Buchs. Die fossilen und teilfossilen
WKK-Anlagen sieht das BFE als Ergänzung zur unregelmässigen
Stromproduktion aus erneuerbaren Energien. «Nicht als Konkurrenz», wie
Buchs sagt. Der Bundesrat stelle strenge Rahmenbedingungen für die
Wärme-Kraft-Kopplungs-Anlagen auf. So sollen nur grosse Anlagen mit
einem Heizwert von über 350 Kilowatt in den Genuss von finanziellen
Mitteln kommen, und zwar ausschliesslich da, wo bereits heute vor Ort
Wärme benötigt wird. Kleine WKK-Anlagen sind vom Fördersystem
ausgeschlossen.
WWF-Experte Hofstetter fordert, der Bund dürfe
nur WKK-Anlagen mit erneuerbaren Energieträgern finanziell fördern. Doch
dies ist nicht geplant. Anlagen, die zum Beispiel mit Biogas laufen,
sollen kein Geld aus dem neuen Topf erhalten. Diese würden in der Regel
durch die Einspeisevergütung unterstützt, sagt Buchs. Allerdings, so
zeigt sich, stehen derzeit mehr als 21'000 Ökostrom-Projekte auf der
KEV-Warteliste. Wann sie realisiert werden können, ist ungewiss.
Der
Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG) begrüsst zwar, dass der
Bund die Bedeutung von WKK erkannt habe. Die exklusive Fokussierung auf
grosse Anlagen hält er aber für verfehlt. Die gemeinsame Produktion und
Nutzung von Strom und Wärme sei generell wünschenswert, allerdings ohne
die Leistungsgrösse einer Anlage zu begrenzen, wie Sprecher Daniel
Bächtold betont. Dies umso mehr, als das vorgeschlagene Fördermodell
einen «übermässigen bürokratischen Aufwand» erfordere. Dies sehen auch
die Stadtwerk-Kooperation Swisspower sowie der Städte- und
Gemeindeverband so. Sie haben mit dem VSG nun eine Allianz gebildet, um
in Bern ihrer Forderung «Nachdruck zu verleihen».
Quelle:
Tages-Anzeiger 12. November 2012
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